
9.
»Eine Zwei …«, verkündete Kaja, die zunächst geknickt über die geringe Wurfausbeute war. Doch das Feld, auf das sie kommen würde, versprach mit seiner Rotfärbung einen pikanten Auftrag. Sie positionierte ihr Schnapsglas und nahm eine Karte auf. Noch während sie die ersten Wörter stumm überflog, machte ihr Herz einen freudigen Satz. Endlich würde sie auf ihre Kosten kommen.
»Bestimme einen Spieler, der ein Kleidungsstück deiner Wahl auszieht.«
Kaja grinste, Daniel hingegen wirkte schockiert, das verrieten zumindest seine aufgerissenen Augen.
»Soll ich meine Socken ausziehen?«, fragte er mit matter Stimme, die nicht darauf schließen ließ, dass er selbst an seinen Vorschlag glaubte. Kaja lachte und schüttelte langsam den Kopf.
»Ne ne, mein Lieber. Jetzt will ich mal etwas sehen!«
Ihr Blick glitt über seinen Körper und sie tat so, als betriebe sie intensives Brainstorming. Einen Moment verweilte sie auf seiner grauen Shorts.
»Hey, das Beste kommt zum Schluss«, versuchte er sein Schicksal abzuwenden.
»Keine Sorge«, antwortete Kaja und ihr Augen nahmen ein neues Ziel ins Visier. »Ich will zuerst dein Shirt fliegen sehen.«
Daniel zögerte einen Moment, als hätte er tatsächlich erwartet, dass sie sich erbarmen und seine Socken wählen würde, doch dann gab er sich einen Ruck. Er packte sein Shirt am Saum und war drauf und dran, es sich in einer fließenden Bewegung auszuziehen, da unterbrach Kaja ihn. »Hey! Nicht so schnell!«
Er legte die Stirn verwundert in Falten.
»Ich habe so lange darauf gewartet, dass du mal Haut zeigst, dass ich den Moment genießen will.«
Und das meinte sie ernst. Daniels Shirt verbarg etwas, das sie von Maik nicht kannte. Einen interessanten Körper, der sich mit ausgeprägten Konturen unter dem Stoff bemerkbar machte. Ihr Gegenüber war, und das stimmte Kaja glücklich, kein übertrieben aufgepumpter Bodybuilder. Doch schien er zumindest zu wissen, was in einem Fitnessstudio vor sich ging. Und so genoss sie die Show und sah, wie allmählich mehr und mehr Haut zum Vorschein kam, dann ein Bauchnabel, dem sich die Andeutung eines Sixpacks anschloss.
»Bin ich zu schnell?«, erkundigte sich Daniel, der sie unablässig beobachtete. Für den Bruchteil einer Sekunde fragte sie sich, ob sein kritischer Blick bedeutete, dass er sie für unangebracht fordernd, gar dominant, hielt. Aber das war ihr egal. Sie durfte, nein, musste auch einmal an sich selbst denken. All die Monate des sexuellen Verzichts hatten ihr Anstandsgefühl in eine Kiste gesperrt, die gut gesichert irgendwo in ihrem Hinterkopf verstaut war.
»Nein«, antwortete sie schließlich. »Das ist genau richtig.«
Dem Bauch folgte eine definierte Brust. Statt des krausen Haares, wie sie es von Maik kannte, verfügte Daniel nur über kurze Stoppeln, was auf eine Rasur schließen ließ, die nicht älter als zwei oder drei Tage war.
Ihr wurde heiß. Er gefiel ihr. Sie mochte seine Haut, seine dezenten Leberflecken. Fand Gefallen an dem hellen Braun seiner Brustwarzen, sowie der Tatsache, das unter seinen kräftigen Armen kein aus dem Ruder gelaufener Urwaldbusch wuchs. In dem Moment, als sein Kopf hinter dem Stoff verschwand und er für Sekunden blind war, ballte Kaja ihre Hand siegessicher zur Faust und biss hinein, um ein freudiges Jauchzen zu unterdrücken.
Daniel warf das Shirt unter den verschlingenden Blicken seiner Spielgefährtin zur Seite und sah sie verunsichert an, als erwartete er ein Urteil.
»Hot!«, bewertete Kaja glücklich. »Ganz anders als mein Exmann.«
»Das ist aber auch nicht schwer«, antwortete er bescheiden. Und obwohl er recht hatte, schien er nach ihrem Kompliment etwas gewachsen zu sein. Seine Haltung hatte sich verändert, die Verunsicherung war gänzlich gewichen. »Aber danke.«
Für einen Moment verweilte sein Blick auf ihrer Brust, dann griff er zum Würfel. Die fünf, die er warf, brachte ihm nichts ein, außer dass seine Spielfigur den Abstand zu Kajas etwas verkürzte. Sie war wieder an der Reihe.
»Eine Zwei«, knurrte sie und stellte ihre Figur auf ein Trinkfeld. »Wollen wir ab jetzt zusammen trinken, Herr Spielleiter?«
Daniel zuckte gleichgültig mit den Achseln. »Warum nicht.«
Einen Moment später stürzten sie ihre Liköre hinunter.
»Wenn das so weitergeht, ist mein Vorsprung bald dahin.«
»Na hoffentlich.«
Und tatsächlich zeigten sich nach seinem folgenden Wurf sechs Augen.
»Yes!«, rief er und klatschte begeistert in die Hände. Er schob die Figur vor und erreichte ein Aktionsfeld. »Nur noch drei Felder Unterschied!«
Kaja beobachtete zerknirscht, wie er eine rote Karte aufnahm und direkt vorlas. Sein Blick erhellte sich, dann schoss ihm das Rot ins Gesicht. »Küsse einen beliebigen Mitspieler!«
Ihr Herz stockte für einen Moment, ehe es mit freudigen Sprüngen durch ihren Brustkorb tobte. Habe ich mich verhört? Kann das sein? Sie kam aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Das war bisher die beste Aufgabe des Spiels.
»Die Karte hatte ich kommen sehen«, flüsterte er und legte sie zur Seite.
»Hätte mich überrascht, wenn nicht.«
Sie lächelte. Nur er als Spieldesigner wusste, was sich noch in dem Aktions- und Fragestapeln verbarg. Irgendwie war es unfair, dass er das Ausmaß des Spiels kannte, während sie in völliger Dunkelheit tappte. Doch ein kleiner Teil von ihr genoss das Wissen, dass er sie dadurch in seiner Hand hatte – und dieser Teil wuchs von Runde zu Runde.
»Also?«, fragte Kaja und zwinkerte ihm zu. »Ein Kuss muss geküsst werden.«
Daniel kicherte. »Diese Formulierung ist mir neu.«
»Aber sie stimmt. Soll ich zu dir kommen?«
Er zögerte zunächst, dann nickte er. »Auf deinem Hocker ist es mir zu eng.«
Sie umrundete den Tisch und ließ sich neben ihm auf dem Sofa nieder. Erst war zwischen ihnen eine Armlänge Platz, doch er gab sich einen Ruck und schloss zu ihr auf. Sie sah ihn erwartungsvoll an. Er hatte die Karte gezogen, also musste er die Initiative ergreifen. So hatte sie es für sich beschlossen. Zum Glück spielte er mit.
Sein Gesicht näherte sich dem ihren. Das Grün seiner Augen schien zu leuchten. Kurz bevor sich ihre Münder berührten, stoppte er und betrachtete sie. Dann passierte es. Sie legten wie ferngesteuert ihre Köpfe ein winziges Stück zur Seite und schlossen ihre Augen. Ihre Lippen trafen sich. Blitze flogen hin und her. Vermischten sich mit dem süßlichen Geschmack des Likörs. Wärme floss durch jede von Kajas Adern. Ihr Puls raste und auch seiner hatte sich beschleunigt, das konnte sie spüren. Daniel legte eine Hand auf ihren Rücken, die andere vergrub er in ihrem Haar. Sie tat es ihm gleich, strich über die nackte Haut seines Oberkörpers, während sich die Lippen beider einen Spalt breit öffneten und sich ihren Zungenspitzen berührten.
Er schmeckt nach Lakritz, dachte Kaja und wusste, dass es bei ihr nicht anders sein konnte. Der Kuss wurde intensiver, schneller, feuchter. Zwischen ihren Beinen kribbelte es erregt, überall in ihren Adern und Muskeln regierte eine verbrennende Hitze. Ihren Zungen tanzten miteinander. Er stöhnte leise. Sie genoss jeden Moment.
Wann hatte sie zuletzt ein solches Verlangen gespürt? Wann hatte sie ein Mann jemals derart in Wallung versetzt? Lag es an dem Spiel oder an Daniel, dass sie diesen Moment als den Erregendsten ihres Lebens empfand?
Seine Hand glitt über ihren Rücken, fand den Verschluss des BHs. Doch bevor er ihn öffnen konnte, drückte Kaja sich ein Stück zur Seite.
»Noch … nicht«, brachte sie hervor. Er stöhnte enttäuscht. Und so gern sie ihn weiter geküsst oder sonst was mit ihm angestellt hätte, so sehr forderte eine innere, fiese Stimme, ihn zappeln zu lassen, auch wenn es für sie selbst eine harte Prüfung darstellte. Also löste sie sich von ihm, sah ihn kokett in die Augen, genoss für einen Moment die kindliche Verwunderung in seinem Gesicht. Dann rückte sie ein Stück von ihm weg, sodass seine Hände, die ihren Rücken und beinahe den BH erobert hatten, neben ihm auf das Sofa fielen. Zwischen seinen Beinen zeichnete sich sein erigierter Penis ab, der den Stoff ordentlich spannte.
»Nicht so hastig«, hauchte sie verführerisch. »Nicht schummeln.«
10.
Das durfte nicht wahr sein!
Daniel zitterte vor Erregung. Und dann war da noch das Ding in seiner Hose, dass sich wie ein Hartmetallbohrer allmählich nach außen zu fressen versuchte. Der Kuss hatte ihn schmelzen lassen, dazu das Gefühl ihrer warmen Haut auf seinen Händen. Beinahe hätte er es geschafft, ihren BH zu öffnen und das zu sehen, was sich hinter dem Kleidungsstück verbarg. Aber Kaja spielte mit ihm. Sie hatte es auf ihn abgesehen. Auf Daniel, auf seinen Körper. Sie hätte es zulassen können, dass er sie entkleidete. Sie hätte das, was im Anschluss folgen würde, geschehen lassen können. Und doch hatte sie einen anderen Weg gewählt und hielt ihn hin – wie eine Katze, die mit ihrer Beute spielte, bis sie schlussendlich zum finalen Schlag ausholte. Er sehnte sich diesen Schlag herbei, mit allem, was er mit sich bringen würde.
Er beobachtete, wie sie den Würfel griff. Wie sie ihn über den Tisch springen ließ. Wie sich ihre Brüste dabei leicht bewegten. Sie bemerkte seinen Blick und feixte frech.
»Kannst du noch?«, lachte sie. »Oder brauchst du eine Pause?«
»Vergiss es!«, zischte Daniel, der sah, wie der Würfel eine Vier verkündete. »Jetzt will ich alles!«
Bei seinen letzten Worten zuckte ein hungriges Lächeln über ihre Lippen. Dann schob sie langsam ihre Spielfigur vor und kam auf einem leeren Feld zum Stehen. Ohne Zeit zu verschwenden, nahm er den Würfel auf.
»Zwei«, sagte er und bewegte das Glas auf eine rote Fläche. Hastig zog er eine Ereigniskarte und las einen bekannten Text.
»Ziehe etwas aus. Beachte: Doppelte Kleidungsstücke zählen als ein Kleidungsstück.«
»Wie oft kommt diese Karte eigentlich?«
»Oft«, antwortete Daniel. »Wenn viele Leute zusammen spielen, gibt es auch einiges auszuziehen.«
»Hm. Und?«
Während er überlegte, bemerkte er, wie Kajas Blick zunächst auf seinen Oberkörper lag und dann südlich seines Bauchnabels wanderte. Er verspürte eine große Lust, seine Hose abzulegen. Etwas von sich preiszugeben, erst recht, weil er darunter noch anderes trug. Er wollte dem Tiger vor sich einen Brocken zum Fraß anbieten. Dann kam ihm ein Gedanke. Auch er hatte die Macht, sie zappeln zu lassen. Auch er konnte ein Spiel spielen. Also fällte er eine Entscheidung, beugte sich hinab und zog die Socken aus. Mit einem frechen Grinsen ließ er sie, zwischen Daumen und Zeigefinger eingeklemmt, in der Luft baumeln.
»Wie langweilig!«, stöhnte Kaja. Ihr stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.
»Das ist die Retourkutsche zu eben!«
»Von wegen. Ich räche mich!«
Sie würfelte und schob ihr Schnapsglas fünf Felder vor.
»Eine Fragekarte«, murmelte sie und nahm eine blaue Pappe auf. »Hast du schon einmal Sperma geschluckt?«
Auf Kajas Wangen zeigte sich ein verlegenes Rot.
»Und?«, bohrte Daniel und imitierte sie dabei. »Hast du?«
»Hm«, sagte sie. Er erwartete bereits, dass die taffe Tigerin eine Antwort hinauszögern wollte, aber dann setzte sie fort. »Ja. Schon ein paar Mal.«
Das passt, dachte Daniel. Kaja hatte zwar ein unscheinbares Äußeres, das eher dem eines schüchternen Teenagers als einer selbstbewussten Frau glich, doch in ihr steckte mehr. Das erkannte er an dem Glimmen in ihren Augen und an der Art, wie sie mit ihm spielte. »Vor kurzem?«
»Diese Frage steht nicht auf der Karte.«
»Ich weiß. Smalltalk, Schätzchen.«
Sie überlegte. »Falls du dich nicht erinnerst: Ich hatte schon lange keinen Sex mehr. Also nein, nicht vor kurzem.«
»War es denn von Maik?«
»Hm«, sagte sie erneut. »Ja, ich glaube schon. Aber das muss zwei oder drei Jahre her sein.«
Für einen Moment stand Ekel in Kajas Gesicht geschrieben. Galt dieser Sperma im Allgemeinen oder der Tatsache, dass sie einst welches von ihrem Ex im Mund hatte?
»Steht er darauf?«
Sie grinste. »Gibt es einen Kerl, der nicht darauf steht?«
Daniel überlegte, kam aber zu demselben Schluss. »Aus meiner Sicht nicht, nein. Aber ich kann nicht für alle Männer sprechen. Wie ist es so?«
»Eigentlich voll eklig. Wie rohes Eiweiß, nur warm und glibberig. Hat irgendwie nen Touch von Maronen.«
»Maronen?«
Daniel prustete vor Lachen. »Also damit hätte ich jetzt nicht gerechnet.«
»Ist aber wirklich so. Kannst es ja selbst mal probieren!«
»Sicherlich nicht.«
Jetzt lachten beide. »Darauf einen Sonderschnaps?«, schlug Daniel vor. Sie nickte. Einen Moment später tanken sie. Er spürte seinen Kopf selig schwanken, der Alkohol hatte unlängst seine Wirkung entfaltet.
»Du bist dran«, sagte sie und reichte ihm das Spielgerät. Er würfelte eine Sechs.
»Bingo!«, rief er freudig und schob das allmählich klebrige Glas über das Spielfeld. »Dein Vorsprung schmilzt weiter!«
»Ist nur ne Momentaufnahme.«
»Nur noch vier Felder«, setzte er seinen Triumph fort.
»Lies lieber vor!«, forderte sie. Ihm wäre beinahe entgangen, dass er auf einem roten Bereich gelandet war. Sie grinste fies.
»Oh, auch diese Karte hatten wir bereits«, frohlockte er, die Stimme zitternd vor Vorfreude. »Jetzt habe ich dich!«
Kajas siegessichere Miene schmolz dahin, Daniels breites Grinsen schien sie zu verunsichern. »Was … was steht drauf?«
»Bestimme einen Spieler, der ein Kleidungsstück deiner Wahl auszieht.«
Jetzt hatte er sie. Er hatte den Tiger erlegt. Nun würde sie nichts mehr schützen. Sie wusste es, das sah er an ihren verunsichert hin und her huschenden Augen, die abwechselnd ihn und die Karte ansahen.
»Du weißt, was jetzt kommt?«, säuselte er. Kaja schwieg. Sie wusste es genau. »Weg mit dem BH!«
Sie biss sich auf die Lippen. Für einen Moment wirkte es so, als wolle sie sich zur Flucht aufmachen. Sie drehte ihren Oberkörper ein Stück in Richtung Tür, ob bewusst oder unbewusst vermochte er nicht zu deuten. Doch dann atmete sie tief aus, schloss die Augen und nickte. In einer langsamen Bewegung griff sie nach hinten und löste den Verschluss. Sofort erschlaffte der weiße Stoff und rutschte ein Stück herunter. Daniels Penis pochte erregt. Kaja hielt sich schützend einen Arm vor die Brust, während sie mit der freien Hand den BH abzog und zu Boden fallen ließ. Es hatte etwas Magisches, sie so vor sich zu sehen. So wunderschön, mit makelloser Haut und ohne störenden Stoff. Ihm gefiel ihre Unsicherheit, die Art, wie sie einen ihrer intimsten Körperteile zu schützen versuchte.
»Du kannst den Arm nicht die ganze Zeit so halten«, erklärte Daniel ruhig. Kaja biss sich abermals auf die Unterlippe, dachte nach und seufzte. Dann ließ sie den Arm sinken. Zum Vorschein kamen die schönsten Brüste, die er jemals gesehen hatte. Ob dies wirklich so war oder der Magie des Momentes geschuldet war, spielte in dieser Situation keine Rolle. Fakt war, dass ihre Brustwarzen klein und von einem zarten Braun waren, umgeben von einem schmalen Warzenhof. Wie gerne würde er sie berühren, sie sanft drücken und ihre Wärme spüren. Auch das Wesen in seiner Hose hatte ähnliche Gedanken und drückte sich gegen den Stoff.
»Zum Tittenfick zu klein, nicht wahr?«, riss sie ihn aus seinem Starren. Sie hatte ihr Lächeln wiedergefunden, wenn auch umgeben von einem ausgeprägten Rot, das einem soliden Sonnenbrand alle Ehre gemacht hätte. Er legte den Kopf schief und sah sie tadelnd an.
»Du nun wieder. Daran misst man keine schönen Brüste.«
»Kleine Titten sind kleine Titten.«
»Du brauchst mehr Selbstvertrauen!«, sagte er eindringlich. »Wirklich, du solltest dir keine Sorgen machen. Sie sind wunderschön.«
Kaja lächelte verlegen und sah ihm in die Augen. »Danke.«